Wie, was, warum? – 10 Fragen und Antworten zur Energiewende
29. Oktober 2012

Wie, was, warum? – Zehn Fragen und Antworten zur Energiewende

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie will Deutschland die Stromversorgung revolutionieren: Ab 2050 soll der Strommix zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien bestehen. Doch was kostet die Energiewende überhaupt? Und wer wird sie bezahlen? Zehn Fragen und Antworten zur Energiewende.

Frage 1:  Was bedeutet der Begriff Energiewende überhaupt? 

Erstmals aufgetaucht ist der Begriff 1980 in einer Studie des Öko-Instituts. Doch erst seit der Atomkatastrophe von Fukushima ist die Energiewende das zentrale Thema der Bundesregierung neben der Eurorettung. Der neue Umweltminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete sie Presseberichten zufolge jüngst gar als „die größte wirtschaftspolitische Herausforderung seit der Wiedervereinigung“.

Das Ziel: Bis 2020 soll sich Deutschland von Atomenergie und Erdöl abkehren und regenerativen Energien wie Solarkraft und Windkraft zuwenden. So soll die Stromversorgung umweltfreundlicher, sicherer und langfristig günstiger werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix soll 2020 bereits mehr als ein Drittel ausmachen. Zum Vergleich: Letztes Jahr lieferten Windräder, Solaranlagen und Co. gerade mal 17 Prozent der benötigten Energie. Bis 2030 strebt die Bundesregierung einen Anteil von 50 Prozent an, 2040 sollen es 60 Prozent sein. 2050 sollen schließlich 80 Prozent unserer Energie aus alternativen Energiequellen stammen . Mit dem Energiemix ändert sich auch die Landschaft der Energieerzeuger: In Zukunft werden nicht mehr nur Kraftwerkskonzerne unseren Energiebedarf decken, sondern auch die Industrie, Landwirte oder Privatleute, die Mini-Kraftwerken betreiben.

Frage 2: Wer zahlt die Energiewende?

Vor allem die Verbraucher – über den Strompreis. Allein seit 2002 ist der um insgesamt zehn Cent pro Kilowattstunde gestiegen, kritisiert  der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Verbraucher zahlen zum einen die Ökosteuer, mit der Strom aus nicht-regenerativen Quellen besteuert wird. Zum anderen zahlen sie ihren Stromversorgern eine Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG-Umlage , von derzeit 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Diese Umlage dient dazu, die Energiewende zu finanzieren: Mit ihr können die Energieversorger die hohen Einspeisevergütungen decken, die sie den Betreibern von Solar- und Windkraftanlagen nach dem EEG zahlen müssen. Was viele Verbraucher ärgert: Die Industrie bezieht laut BUND zwar 18 Prozent des Stroms, zahlt aber nur 0,3 Prozent der Umlage – weil sich ausgerechnet jene Unternehmen, die viel Strom verbrauchen, ganz oder teilweise von der Umlage befreien lassen können.

 Frage 3: Wird der Strom in Zukunft knapp? 

Wie schnell der Strom knapp werden kann, zeigte sich im Februar: Damals kamen in Süddeutschland rund 30 Prozent weniger Strom an, weil Russlands Energieriese Gazprom seine Lieferung drosselte, um den russischen Markt zu bedienen. Gleichzeitig herrschte Flaute in Deutschland, viele Windräder standen still. Deshalb mussten die Netzbetreiber Strom im Ausland zukaufen, um Deutschland zu versorgen.

Auch wenn solche Notfälle nicht alltäglich sind, warnen Experten vor einer unsicheren Energieversorgung. „Der vergangene Winter hat gezeigt, dass die Erzeugungskapazitäten in einigen Regionen knapp sind“, sagte Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) dem Handelsblatt. Deshalb könne man es sich nicht leisten, alte Anlagen ohne erneute Analyse stillzulegen.

Laut einer Umfrage der Dena rechnen mehr als 40 Prozent der befragten Unternehmen damit, dass sich die Versorgungssicherheit in den kommenden zwölf Monaten verschlechtert. Endgültige Versorgungssicherheit gibt es laut Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) frühestens ab 2050. Als Voraussetzung dafür müssten die erneuerbaren Energien, die Stromnetze, die Speicher und Stromsparmaßnamen allerdings ausgebaut werden.

Frage 4: Und wie viel mehr werde ich in den nächsten Jahren bezahlen?

Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) rechnet damit, dass der Strompreis bis 2020 um 25 Prozent steigt. Ein durchschnittlicher Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 3250 Kilowattstunden würde dann pro Jahr bis zu 175 Euro mehr zahlen müssen als heute. Der CDU-Fraktionsvize im Bundestag Michael Fuchs geht sogar von einem noch drastischeren Anstieg aus: Seinen Berechnungen zufolge dürfte die EEG-Umlage bis 2014 auf acht Cent pro Kilowattstunde steigen. Eine vierköpfige Familie würde dann rund 400 Euro pro Jahr extra zahlen.  Das ist deutlich mehr als die Bundesregierung noch im vergangenen Jahr signalisiert hat. Immerhin rechnet die Dena damit, dass Innovationen und effizientere Methoden beim Ausbau der erneuerbaren Energien, moderner fossiler Kraftwerke und der Stromnetze die Preise langfristig wieder sinken lassen.


Frage 5: Werden wir künftig mehr Strom verbrauchen?  

Das bezweifelt zumindest die Bundesregierung. Laut ihrem Energiekonzept sollen wir 2020 zehn Prozent weniger Strom verbrauchen als noch vor vier Jahren. Bis 2050 soll der Verbrauch sogar um 25 Prozent sinken. Experten sind allerdings skeptisch, ob das gelingt. Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) hat drei Szenarien entwickelt, die eintreten könnten: Im ersten Szenario wird der Stromverbrauch steigen, weil wir immer mehr Elektrogeräte benutzen – zum Beispiel Unterhaltungselektronik. Dem zweiten Modell zufolge wird die Technik in den nächsten Jahren effizienter. In Szenario drei wird neben einer „erhöhten Technikeffizienz“ auch ein verändertes Verbraucherverhalten unterstellt, das den Verbrauch reduzieren wird – allerdings nur um etwa vier Prozent bis 2050. Die Bundesnetzagentur hat in einer eigenen Umfrage zum künftigen Stromverbrauch wichtige Akteure des Energiemarkts um eine Einschätzung zu den Szenarien gebeten. Darunter waren Kraftwerks- und Netzbetreiber, Forschungseinrichtungen und Umweltorganisationen. Das Ergebnis war eher ernüchternd: Selbst ein konstanter Stromverbrauch sei „bei einem auch nur geringen Wirtschaftswachstum ein höchst ambitioniertes Ziel“, so die Bundesnetzagentur.

Frage 6: Was kostet die Umstellung auf grüne Energie?

So schön die Energiewende auch ist, billig wird sie nicht: Die Energiewirtschaft muss bis zu 335 Milliarden Euro investieren, damit in knapp 20 Jahren mehr als die Hälfte des Energiemixes aus grünem Strom besteht. Das ergab die Studie „Konsequenzen der Energiewende“, die von der HypoVereinsbank und dem Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) veröffentlich wurden. Danach fließen rund 250 Milliarden Euro in die Förderung Erneuerbarer Energien, 85 Milliarden entfallen auf Investitionen in neue Anlagen, den Netzausbau, Gebäudesanierung und Speichertechnologien. Nach Angaben der Bundesregierung sollen bis 2050 weitere 215 Milliarden Euro dazukommen.

Frage 7: Können wir uns überhaupt komplett mit Ökostrom versorgen?

Ja, im Moment aber höchstens vorübergehend. Am Pfingstmontag gelang es zum Beispiel, den deutschen Strombedarf fast ausschließlich mit Solar- und Windkraftanlagen zu decken – ein paar Stunden lang. Hinter dem Ökowunder steckte ein Ausnahmezustand: Weil Fabriken und Fließbänder am Feiertag still standen und das sonnige Wetter die Menschen nach draußen zog, war der Strombedarf extrem niedrig.

An normalen Tagen ist es noch nicht möglich, die Nachfrage nur mit Strom aus regenerativen Quellen zu decken. Im Juli 2011 etwa produzierten die gesamten deutschen Windräder zum Beispiel nur 90 Megawatt Strom. Das reicht nicht mal, um eine Großstadt zu versorgen. Erst 2050, so eine Studie des Bundesumweltamts (BUA), könnte die komplette deutsche Stromversorgung aus erneuerbaren Energien bestehen.

Frage 8: Warum stellen sich einige Naturschützer gegen die Energiewende?

Bauern, Umweltverbände und Entwicklungsgruppen sprechen in ihrem „Kritischen Agrarbericht “ von einem neuen Umweltdesaster, das Europa drohe. Denn je mehr Photovoltaikanlagen oder Windparks gebaut werden, desto mehr Fläche wird gebraucht. Auch Biogasanlagen sind den Naturschützern ein Dorn im Auge. „Der Verlust von über 230.000 Hektar Grünland seit 2003 ist größtenteils dem Biomasseboom geschuldet“, schreibt Heidrun Heidecke, Naturschutzexpertin des BUND. Darüber hinaus ist Biomasse nicht immer so klimafreundlich, wie sie scheint. Unter Umständen kann ihreCO2-Bilanz sogar negativ sein, so die  DENA. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Biomasse mit Kunstdünger produziert oder mit Verkehrsmitteln transportiert wird, die viel Strom benötigen.

Doch nicht nur an Land schadet die Energiewende der Natur. In der Nord- und Ostsee fühlen sich etwa die Schweinswale gestört, da sie durch den Lärm beim Bau neuer Offshore-Windparks die Orientierung verlieren – das kann für sie lebensbedrohlich sein.

Frage 9: Kann Deutschland mit der Energiewende die Klimaziele erreichen?

Deutschland hat versprochen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Allerdings wird es in den nächsten Jahren schwieriger, dieses Ziel zu erreichen. Denn durch den Atomausstieg werden neben Solar- und Windkraftanlagen vor allem Kohle- und Gaskraftwerke eingesetzt. Sie stoßen aber mehr  Kohlenstoffdioxid (CO2) aus als die alten Atommeiler. Die produzieren nämlich fast kohlendioxidfrei und tragen damit weniger stark zur Erderwärmung bei. Der ehemalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zeigte sich auf der UN-Klimakonferenz von Durban Ende 2011 dennoch zuversichtlich, die Klimaziele zu erreichen. Und sein Nachfolger sorgte kürzlich für Schlagzeilen , weil er die Klimaziele sogar verschärfen möchte.

 

Frage 10: Was haben die Energiekonzerne gegen die Energiewende?

Stromriesen wie E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall stört vor allem, dass sie wichtige Einnahmequellen verlieren, wenn die Atomkraftwerke stillstehen. Laut der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) dürften die vier Stromriesen bis 2022 nur noch 12,8 Milliarden Euro an der Kernenergie verdienen – rund 22 Milliarden Euro weniger als ohne die Abschaltung. Die erneuerbaren Energien können diese Lücke nicht füllen: Bisher erzeugen die vier Konzerne nur magere 0,5 Prozent ihres Stroms mithilfe von Wind, Biomasse, Erdwärme und Solarstrom.

3 Responses to “Wie, was, warum? – Zehn Fragen und Antworten zur Energiewende”

  1. pfhigh sagt:

    zu Frage 6 / Was kostet die Umstellung auf grüne Energie?

    sind das alles zusätzliche Kosten der Energiewende, wie eure Frage impliziert? Oder kann man auch ein adäquates Schaubild erstellen, das die Kosten “ohne” Energiewende darstellt? Werden diese Kosten überhaupt publiziert?

    Ein Delta würde dann die reinen durch die Energiewende entstehenden Kosten aufzeigen.

  2. leon möller sagt:

    lol was ein geiler scheiß!!

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