Gigantische Speicher – Wie Talsperren Strom für Flauten bunkern
29. Oktober 2012

Gigantische Speicher – Wie Talsperren Strom für Flauten bunkern

Wind und Sonne erzeugen mal zu viel, mal zu wenig Energie. Der Energieversorger Trianel will in der Nähe von Aachen ein Pumpspeicherkraftwerk bauen, das überschüssigen Strom für Flauten speichern kann – eine effektive, aber umstrittene Methode.

Noch ist es ruhig, auf dem Berg neben dem Rurstausee. Mais wächst auf den geschwungen Hügeln, Baumkronen wiegen sich im Wind. Das soll sich 2017 ändern. Dann möchte der Energiekonzern Trianel mit Baggern anrollen und hier einen See ausgraben: Ein Becken, groß wie 60 Fußballfelder, abgedichtet mit Beton und eingegrenzt von einer 15 Meter hohen Mauer. Der künstliche See soll Teil eines Pumpspeicherkraftwerks werden – einer Technologie, mit der Trianel dazu beitragen möchte, die Energiewende zu schaffen.  

Die Idee dahinter ist simpel: Der künstliche See auf dem Berg wird durch unterirdische Schächte mit dem Rurstausee verbunden, dem zweitgrößten Stausee Deutschlands. Gibt es im deutschen Stromnetz einen Überschuss an Energie, will Trianel das Wasser aus dem Stausee in das 250 Meter höher gelegene Oberbecken pumpen. Dort soll es so lange gebunkert werden, bis die Energie auf dem Strommarkt wieder knapp wird. Dann wird das Wasser wieder durch die Schächte abgelassen und treibt Turbinen an. Der dabei erzeugte Strom wird ins Netz eingespeist.

Alte Technologie für neue Energiequellen?

Zum „zentralen Baustein für die Energie von morgen“ erklärt Trianel das Projekt in seinen Hochglanzbroschüren. Denn Wind und Sonne erzeugen mal zu viel, mal zu viel wenig Energie. Für den Ausbau der erneuerbaren Energien müssten also Technologien her, die überschüssige Energie für Flauten speichern können. Läuft alles nach den Plänen des Konzerns, könnte das über 700 Millionen Euro teure Projekt schon 2020 fertig sein.

Es wäre erst das dritte Pumpspeicherkraftwerk in Nordrhein-Westfalen – obwohl es in NRW mehr Talsperren gibt als in jedem anderen Bundesland. Doch bisher fristet die Pumpspeicherkraft ein Schattendasein und trägt kaum zur Energieversorgung bei. Dabei hat die Technologie eine lange Tradition: Bereits 1930 ging in der Nähe von Herdecke das Koepchenwerk ans Netz – eine der beiden ersten Anlagen in Deutschland. In den 1960er Jahren wurden weitere Kraftwerke gebaut – dann wurde es still um die Technologie.

Die Energiewende haucht ihr nun neues Leben ein: Im Schwarzwald wollen Energieversorger das größte Pumpspeicherkraftwerk Europas bauen. Im Ruhrgebiet forschen Universitäten daran, stillgelegte Bergwerksstollen in unterirdische Pumpspeicherwerke umzurüsten. Auch die Tagebaue in Hambach, Inden und Garzweiler werden diskutiert: Das Wasser möchten sie durch Schächte und Turbinen in Stollen ablassen. Später könnte es wieder an die Erdoberfläche gepumpt und in einem Becken gespeichert werden, bevor es erneut abgelassen wird. Und überall werben die Planer mit demselben Argument: Mithilfe der Pumpspeicherkraft sollen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden.

Grün oder nicht grün?

Felix Nipkow bezweifelt das. Er arbeitet bei der Schweizer Energiestiftung, die sich eine nachhaltige Stromversorgung auf die Fahnen geschrieben hat. Nipkow erwartet, dass Konzerne wie Trianel dann Strom einkaufen, wenn er am billigsten ist, um damit Wasser ins obere Becken zu pumpen. Am billigsten ist er dann, wenn die Menschen am wenigsten davon brauchen – etwa am Wochenende, vor allem jedoch in den Nächten.

 

Gibt es im Stromnetz einen Überschuss an Energie, pumpt Trianel das Wasser aus dem Unterbecken in das Oberbecken. Dort wird es so lange gehalten, bis die Energie auf dem Strommarkt wieder knapp wird. Dann wird das Wasser wieder abgelassen und treibt Turbinen an. Der dabei erzeugte Strom wird ins Netz eingespeist.

Darin sieht Nipkow das Problem: Weil umstrittene Atommeiler und klimaschädliche Kohlekraftwerke rund um die Uhr laufen, würden gerade sie ihre Überschüsse bei den Pumpspeicherkraftwerken loswerden – und nicht etwa die Solarkraftwerke und Windparks. Statt von den konventionellen Energien loszukommen, würden die Pumpspeicher die Abhängigkeit von den schmutzigen Energien daher nur noch weiter verschärfen, ist Nipkow überzeugt. „Was die Betreiber mit den Pumpspeichern angeblich fördern, bekämpfen sie in Wirklichkeit:“

Auch Trianel räumt ein, dass die erneuerbaren Energien zunächst nur einen kleinen Teil der Wasserspeicher füllen können. Deswegen gelte die Energie aus den Pumpspeicherkraftwerken auch nicht als Ökostrom. „Darin spiegelt sich einfach nur der deutsche Strommix wieder“, erklärt Andreas Schlenkhoff, der an der Bergischen Universität Wuppertal im Bereich Wasserwirtschaft lehrt und forscht.

Das bedeutet: Wird der Strommix insgesamt grüner, so auch die Energie, die in den künstlichen Seen gespeichert wird. „In Zukunft wird sich die Frage nach der Herkunft der Energie gar nicht mehr stellen.“ Denn schon 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz und 2050 sollen die erneuerbaren Energien ohnehin über 80 Prozent des deutschen Strombedarfs abdecken. „Die Überschüsse müssen dann gespeichert werden – unabhängig davon, wo sie nun herkommen“, sagt Schlenkhoff. Sonst geht die Energie für immer verloren.

Kein Schutz vor langen Flauten

Der Pumpspeicherkraft sind allerdings Grenzen gesetzt. Beispiel Rursee: Öffnet Trianel das obere Becken um Wasser herabzulassen, könnten mit der Energie, die dabei entsteht, rund 1,3 Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden – allerdings nur für sechs Stunden. Mehr Wasser kann der Speicher nicht fassen. Fällt ein anderes Kraftwerk aus oder weht der Wind nur wenige Stunden nicht, können die Speicher die Flaute noch ausbügeln. Dauert die Flaute Tage oder Wochen, sind sie machtlos.

Auch einige der Anlieger verfolgen die Pläne mit Sorge. Waltraud Heuken leitet das Hotel Seehof. Vier Sterne, Blick aufs Wasser. Sie wirbt mit Sauna, Massagen und einer idealen Ausgangslage für Spaziergänge im Nationalpark. Sie hätte anbauen und das Hotel um 50 Betten erweitern wollen, sagte sie den Aachner Nachrichten. Bis sie von dem Pumpspeicher-Vorhaben Trianels erfuhr. Seitdem fürchtet sie die Folgen: Werden die Gäste weiterhin kommen, wenn sich der Wasserpegel stets heben und senken wird? Das Risiko ist ihr offenbar zu groß: Waltraud Heuken habe die Pläne zu den Akten gelegt, heißt es in der Zeitung.

Viele Bürger teilen ihre Befürchtungen. Der See liegt in einem Naturschutzgebiet und zieht Touristen an – darunter Segler. Um zwei Meter wird der Wasserstand schwanken. Zu viel für die Stege, sorgt sich der Besitzer einer der Segelvereine in dem Artikel. Die Zukunft des Segelsports am Rurtalsee sei gefährdet. Auch einige Angler fürchten das Aus für ihren Sport. Schlamm könnte aufgewirbelt werden, die Fische könnten die Veränderung nicht vertragen.

Trotz des Umwelteingriffs und die Debatte um die Herkunft des Stroms: Noch gibt es keine Alternative zu den Pumpspeichern. Denn sie haben einen großen Vorteil: Nur 20 Prozent der Energie gehen verloren, wenn das Wasser erst hoch gepumpt und dann wieder abgelassen wird. Andere Technologien vergeuden mehr Energie oder kosten zu viel. „Es gibt niemals eine Technologie, die sämtliche Schwankungen ausgleichen kann“, sagt Wasser-Forscher Schlenkhoff, „aber die Pumpspeicherkraft kann ein Teil der Lösung sein.“


Vergrößern: Das Pumpspeicherkraftwerk als interaktive Karte

2 Responses to “Gigantische Speicher – Wie Talsperren Strom für Flauten bunkern”

  1. paulhighnine sagt:

    in euren textlichen Verweisen fehlt leider der Punkt Energiespeicher (-möglichkeiten). Da dies einer der wesentlichen Punkte der Energiewende ist hierzu eine lesenswerte Studie des ZFES Uni Stuttgart.

    http://www.zfes.uni-stuttgart.de/deutsch/downloads/20120727_Final_Stromspeicherpotenziale_fuer_Deutschland-.pdf

    Vielleicht könnt ihr ja ein paar Aspekte hieraus aufnehmen.

  2. hubert schmitz sagt:

    welch ein schwachsinn dieses bauvorhaben zu verwiklichen. hat trianel denn schon die frage der netzanbindung beanwortet? nein, es werden nur lapidare andeutungen gemacht über verkabelung (380 kv wäre eimalig in deutschland über so eine lange stecke).es gibt
    noch soviele ungereimtheiten über die wirtschaftlichkeit dieses kraftwerks.also nicht bauen.die natur wird es uns danken.

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