Euroregen bei Sonnenschein
29. Oktober 2012

Euroregen bei Sonnenschein

Die Deutschen waren lange Photovoltaik-Weltmeister. Zu verdanken war dieser Platz an der Sonne zum Teil dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Zwar wurden sie 2011 von den Italienern überholt und das EEG ist auch nicht mehr das, was es mal war – aber der Solartrend ist trotzdem ungebrochen.

Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurden Solaranlagen zu einer attraktiven Investition: Es garantierte den Anlagen-Besitzern, ihnen den überschüssigen Solarstrom abzukaufen und ins allgemeine Stromnetz einzuspeisen – und das solide zwanzig Jahre lang. Allerdings wechseln die Vergütungssätze pro Kilowattstunde (KWh) ständig. Allein in der laufenden Legislaturperiode hat die Bundesregierung sie vier Mal geändert. Einfamilienhäuser, die zwischen Januar und April 2012 eine Anlage mit bis zu 10 Kilowatt (KW) installiert haben, bekommen pro KWh 24,43 Cent. Für im April installierte Anlagen wird der Strom mit nur noch 19,5 Cent vergütet. Bis November ging es monatlich um ein Prozent bergab. Im November beginnt ein Beobachtungszeitraum, an dessen Ende erneut über die  Einspeisevergütung entschieden werden soll. Wie hoch der neue Satz ausfällt, hängt davon ab wie viele Solarstromanlagen im Beobachtungszeitraum ans Netz gehen: Je mehr es sind, desto stärker sinkt die Einspeisevergütung. 

 Immer mehr Menschen setzen auf Sonne

Wie sehr das EEG die Verbraucher in Atem hält, weiß der Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, Reinhard Loch: „Weil sich am Anfang jeden Jahres die Einspeisevergütung ändert, werden kurz vor Ende des Jahres besonders viele Anlagen installiert“, sagt er. Und tatsächlich: Im Dezember 2011 wurden laut Erhebungen des Bundesnetzagentur in Deutschland mit 61.227 mehr als doppelt so viele Anlagen installiert wie im November. Auch wenn das nicht mehr zum Photovoltaik-Weltmeister-Titel reicht: Immer mehr Menschen setzen auf die Sonne. Laut Zahlen des Bundesnetzagentur wurden im ersten Halbjahr 2012 rund 34 Prozent mehr Solaranlagen installiert als im ersten Halbjahr 2011. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es nach Angaben des Bundesumweltministeriums aktuell rund 113 000 Solaranlagen, Tendenz steigend. Bundesweit wurden – so das Bundesumweltministerium – im Juli 2012 rund drei Prozent des Gesamtstromverbrauchs durch Sonnenstrom gedeckt.

 Chinesische Anbieter können mit deutscher Qualität mithalten

Allerdings stammen – anders als in den ersten Jahren des EEG – viele der Solarmodule auf deutschen Dächern nicht mehr aus deutscher Produktion. Für 2011 berechnete das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie den Anteil chinesischer Anlagen auf 60 Prozent, den der deutschen auf gerade mal 15 Prozent. Noch drei Jahre vorher war das Verhältnis noch nahezu umgekehrt gewesen. Was für die deutsche Solarindustrie existenziell bedrohlich ist, sei aus Verbrauchersicht kein Problem, sagt Energieexperte Loch: „Die Qualität der asiatischen Module kann mit der der deutschen Anlagen mithalten.“ Er empfiehlt bei dem Kauf einer Solaranlage, ruhig nach dem Preis zu gehen. „Anlagen, die auf Einfamilienhäusern installiert werden, rentieren sich in der Regel nach etwa 15 Jahren“, sagt er. Und: Wegen der steigenden Strompreise sei es besonders lukrativ, seinen Sonnenstrom möglichst selber zu verbrauchen.

Deutschlands “Sonnenkönig” im Interview Frank Asbeck ist Gründer der SolarWorld AG. NeunKW hat er erzählt, warum er Solarenthusiast bleibt, und was er sich von den Politikern wünscht.

In einer Villa in Bonn am Rhein wohnt der “Sonnenkönig” Frank Asbeck. Dort ist auch Sitz seines Sonnenimperiums, der Solarworld AG, die weltweit rund 3.300 Mitarbeiter beschäftigt. Bereits 1998 gründete Asbeck die Firma, er gilt als Pionier der Branche. Durch ungewöhnliche Aktionen machte der “Sonnenkönig” immer wieder auf sich aufmerksam: 2008 schenkte er Papst Benedikt eine Solaranlage für den Vatikan. Auch in dunklen Zeiten schwört Asbeck auf die Sonnenenergie. Warum, hat er uns im Interview erklärt.

NeunKW: Der Chinese kommt und die Sonne scheint in Deutschland zu wenig. Außerdem steigt die Nachfrage nach Windkraft und viele Investoren der Solarbranche sind frustriert. Wie fühlt sich angesichts dieser Lage der “Sonnenkönig” von Deutschland?
Frank Asbeck: Danke der Nachfrage, ich habe gerade die neuesten Wirkungsgradsteigerungen aus unserer Produktion in Freiburg erfahren. Ich fühle mich gut. Und Sonne ist auch genug da. Für den Strom reicht’s, nur vielleicht nicht zum selber braun werden. Jeder private Dachbesitzer in Deutschland hat genug Sonne, um seinen kompletten Strombedarf damit zu decken.

Fühlen Sie sich von der deutschen Politik im Stich gelassen? Was würden Sie sich von den Politikern wünschen, wenn Sie drei Wünsche frei hätten?
Asbeck: Mein erster Wunsch: Die Bundesregierung muss endlich Ernst machen mit der Energiewende. Bisher hat nur Solar geliefert. An Sonnentagen ersetzen wir mit Solarenergie heute die Stromerzeugung aller deutschen Atomkraftwerke, einschließlich derer, die nach Fukushima vom Netz genommen wurden. Anstatt jetzt darauf aufzubauen, diskutiert die Berliner Politik inzwischen, das Rad wieder zurückzudrehen. Dabei ist klar: Ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Deutschland könnten wir heute das Wort Energiewende noch gar nicht buchstabieren.

Zweitens: Wir müssen in Deutschland unsere Zukunftsindustrien stärken und Jobs schaffen. Ich bin nicht nur Solarenthusiast, ich bin auch Unternehmer. Und zu sehen, wie nahezu alle Entwicklungen vom Faxgerät bis zum Flachbildschirm inzwischen von Deutschland nach Asien abgewandert sind, das schmerzt. Unsere Solarfertigung in Sachsen hat einen Lohnkostenanteil von unter 10 Prozent. Wir sind wettbewerbsfähig mit jedem Hersteller der Welt, erst recht mit jedem Billiglohnland. Im Moment aber müssen wir gegen die Regierung der Volksrepublik China konkurrieren, die ihre Unternehmen mit Milliardenmitteln versorgt, damit diese in Europa Dumpingpreise anbieten kann. Das muss ein Ende haben. Die Bundesregierung muss sich in Brüssel dafür einsetzen, dass wieder fairer Wettbewerb hergestellt wird.

Der dritte Wunsch ist, dass die Politik es schafft, langfristig zu denken. Was heute aufgebaut oder zerstört wird, gilt für Generationen.

Wenn Sie noch mal ganz von vorne anfangen könnten. Was würden Sie im Bezug auf Ihre Karriere anders machen?

Asbeck: Ich bin glücklich, mich früh auf ein Produkt konzentriert zu haben, das Mensch und Umwelt weltweit hilft. Ich bin gerne Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.


Im Moment liefern Solarzellen rund drei Prozent des Strombedarfs in Deutschland.
Die Grafik zeigt u.a., wie viele nötig wären, um die Leistung eines einzigen Atomkraftwerkes zu ersetzen.

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