Vorgemacht – Wo Holz und Erde wärmen
29. Oktober 2012

Vorgemacht – Wo Holz und Erde wärmen

Noch ist das Heizen mit Erdwärme eher eine Rarität. Eine Siedlung in Köln-Niehl setzt schon ganz  auf die nachhaltige Energie aus dem Untergrund.

Wenn Projektleiter Lambert Schürmann durch „seine“ Siedlung läuft und die Raffinesse der Technik erklärt, dann schwingt in jedem Satz ein bisschen Stolz mit. „Das waren schon einige Jahre aufwändiger Planung und Umsetzung“ sagt er.  „Von den eigentlichen Anlagen sieht man im Prinzip nichts. Hier zum Beispiel, dieser Kanaldeckel sieht ganz unauffällig aus.“ Und tatsächlich: Die Wohnsiedlung in Köln-Niehl sieht total normal aus: Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäusern, Balkons mit Blumenkästen und kleine Innenhöfe prägen das Bild. Rund 1000 Menschen leben hier auf insgesamt 30.663 Quadratmetern. Nichts deutet darauf hin, dass hier 2006 ein europaweit einzigartiges Projekt gestartet wurde: Alle 404 Wohnungen werden mit Erdwärme beheizt. Damit entstand in Köln-Niehl die größte erdwärmebetriebene Siedlung  Europas.

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In Köln-Niehl wird die Energie aus dem Grundwasser gewonnen. Das funktioniert so: Insgesamt 21 Brunnen befördern Grundwasser hinauf in die Hauskeller. Dort  stehen Wärmepumpen, in deren Innerem ein Kältemittel zirkuliert. Das Grundwasser erwärmt das Kältemittel, so dass es verdampft. Per Kompressor wird dieses weiter verdichtet. Dabei entsteht Hitze, mit der Nutzwasser in einem großen Kessel auf bis zu 55 Grad erhitzt werden kann. Weil herkömmliche Heizkörper heißeres Wasser benötigen, eignet sich die neue Technologie ausschließlich für Fußbodenheizungen. Ganz ohne zusätzliche Energie kommt die Wärmepumpe bei diesem Vorgang nicht aus, dennoch ist das Verfahren effizient. Mit einer investierten Kilowattstunde Strom können umgerechnet vier Kilowattstunden erzeugt werden.

„Das Ganze kann man sich vorstellen, als ob 30 Meter unter unseren Füßen ein unterirdischer Fluss fließt“, erklärt Projektleiter Lambert Schürmann. Dieses Grundwasser hat das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von 13 Grad – das wird in erster Linie durch Sonneneinstrahlung bewirkt, nicht durch Wärme aus dem Erdinneren.  Durch die Erwärmung des Kältemittels sinkt die Temperatur des Grundwassers um etwa vier Grad. Mehr ist nicht erlaubt, weil andernfalls empfindliche Mikroorganismen geschädigt werden könnten: Das Grundwasser wird nämlich von anderen Brunnen wieder ins Erdreich zurückbefördert.  „Das wieder eingeleitete Grundwasser wird regelmäßig überprüft, ob es sich nicht um mehr als vier Grad abgekühlt hat  und ob es noch die gleiche Qualität hat wie zuvor.“

„Grundwasser wird seit tausenden von Jahren genutzt“

Bei der Planung wurde darauf geachtet, dass an keiner Stelle tiefer als 30 Meter gebohrt wurde, andernfalls wären die Brunnen nicht genehmigt worden. Bernd Kiefer vom Umwelt- und Verbraucherschutzamt erklärt die Vorsichtsmaßnahme: „Im Großraum Köln haben wir einen oberen und einen unteren Grundwasserstrom. Beide sind durch eine Gesteinsschicht voneinander abgegrenzt.“ Der obere Strom wird seit tausenden von Jahren von Menschen genutzt, der untere sei deutlich sensibler und regeneriere sich längst so schnell. „Mit dieser Auflage verhindern wir, dass der untere Strom versehentlich angebohrt wird oder sich die beiden Ströme vermischen.“

Auch wenn kein bedeutender Grundwasserstrom vorhanden ist, kann die Erdwärme immer noch mittels Sonden nutzbar gemacht werden. Das System ist ähnlich: Die erhitzten Sonden werden genutzt, um das Kältemittel zu erwärmen. Nach Ermittlungen des Geologischen Dienstes  NRW eignen sich rund 70 Prozent der Fläche des Landes Nordrhein-Westfalen für Wärmepumpenheizungen. Ob Ihr Grundstück auch dabei ist, sehen Sie hier.

„Die Technik dürfte auch für Privatleute interessant sein“, sagt Andreas Wittkop von der Firma Waterkotte, die alle Niehler Wärmepumpen hergestellt hat. „Selbst Grundwasserbohrungen sind erschwinglich.“ Mit rund 7000 bis 8000 Euro sei das Verfahren bereits realisierbar.

Eine komplette Siedlung ohne einen einzeigen Schornstein

Die Kölner Wohnungsbaugesellschaft GAG Immobilien AG, Bauherrin der Niehler Erdwärmesiedlung, wirbt mit dem Projekt: Es sei eine komplette Siedlung ohne einen einzigen Schornstein entstanden, die CO2-Emissionen seien im Vergleich zu ähnlichen Wohnungen mit Gasheizungen um 5000 Tonnen  im Jahr geringer. Die Bewohner sehen noch einen anderen Vorteil: Deutlich geringere Heizkosten und langfristige Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl. Auch Umweltschutzverbände wie der BUND befürworten das Heizen mit Erdwärme: „Werden die Arbeiten korrekt ausgeführt und die Qualität des Grundwassers nicht beeinträchtigt, kann Erdwärme langfristig atomare und fossile Brennstoffe ersetzen.“

In Zukunft sei sogar denkbar, dass  Siedlungen vollständig autark sein könnten. „Neben Wärmepumpen werden wir in den nächsten Jahren auch ganz besonders auf Kraft-Wärme-Kopplungen setzen“, sagt Lambert Schürmann. „Dabei wird neben Wärme auch Strom produziert, der wiederum für den Betrieb der Pumpen und für den häuslichen Bedarf eingesetzt werden kann.“

Es gibt bereits autarke Siedlungen – wenn sie auch nicht mit Erdwärme heizen. In einer Audioslideshow hat unsere Autorin ein Dorf besucht, das sich mit einem Hackschnitzelkraftwerk unabhängig von großen Konzernen gemacht hat. Ein Klick auf das Bild führt zu ihrer Geschichte.

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